Hinter jeder Biegung Erdgeschichte zum Anfassen

Zum siebten Mal fand das Kooperationsprojekt „Ferien im Jurameer“ für Kinder statt. Höhepunkt war die Tagesetappe durch das Gewässerbett der „Schlichem“ zwischen Tieringen und Ratshausen. Dort entdeckten die jungen Forscher viele Fossilien, Wassertiere und Pflanzen.

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    Kind mit Steinkrebs in der Hand
    Kind mit Steinkrebs in der Hand
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    Interessante Entdeckungen sind in der Schlichem garantiert
    Interessante Entdeckungen sind in der Schlichem garantiert

Kinder sind begeisterte Entdecker und Sammler. Davon konnte man sich beim Ferienangebot der Sparkassenstiftung Umwelt+Natur und des Fossilienmuseums der Holcim (Süddeutschland) GmbH überzeugen. An zwei Tagen lernten sie die Lebensräume von Fließgewässern mit ihren Bewohnern kennen: Zuerst die Obere Bära zwischen Oberdigisheim und Tieringen, die als schmaler Bachlauf in Richtung Donau fließt. Deren Uferbereich wird seit vielen Jahren von einer Biberfamilie verändert, die durch den Bau von Dämmen viele Tümpel und Feuchtwiesen geschaffen hat. Dann, am zweiten Tag, die Wanderung durch das Bachbett der weiter westlich fließenden Schlichem. Ein idyllischer Bachlauf, der sich zwischen Tieringen und Ratshausen eindrucksvoll in den Braunen Jura eingeschnitten hat und in den Neckar mündet. Kleine Wasserfälle, zahlreiche Bachschlingen und abwechslungsreiche Ufervegetation haben eine beeindruckende Feuchtlandschaft geschaffen. Beste Voraussetzungen für das Veranstaltungsteam, diesen Gewässerabschnitt mit insgesamt 21 Kindern im Alter von sieben bis dreizehn Jahren genauer zu untersuchen. Begleitet wurden sie von den Mitarbeiterinnen des Fossilienmuseums Dr. Annette Schmid-Röhl und Janina Wypich sowie von Alexandra Kischkel-Bahlo und Hannes Schurr, dem Team der Umweltstiftung.

Das Wetter meint es gut an diesem Tag. Über der Gruppe wölbt sich strahlend blauer Himmel. Die Kinder im Alter von sieben bis dreizehn Jahren aus den Landkreisen Zollernalb, Tuttlingen und Rottweil balancieren vorsichtig im Gänsemarsch über massive Trittsteine. Die markieren den Einstieg in die Schlichem am Ortsausgang von Tieringen. Das kühle Gewässer plätschert munter zwischen teils scharfkantigen, teils abgerundeten Kalksteinen, dem Abtragungsschutt des Weißen Jura. Mal schnell und unruhig in Rinnen gurgelnd, dann wieder träge in breiten Uferabschnitten strömend. Das Bachbett wird von hohen Staudenpflanzen wie Weidenröschen, Brennnessel und Mädesüß gesäumt. Hin und wieder verdeckt das dichte Blätterdach der Pestwurz den Blick auf das Geröll. Frisch hängt der Duft der Wasserminze in der Luft. Entwurzelte, mit dunkelgrünem Moos bedeckte Baumstämme versperren immer wieder den Weg und zeugen von der Fließdynamik, die die Schlichem in regenreichen Wochen prägt. Jede Bachschlinge hält neue Überraschungen bereit. „Vorsicht, hier gibt es tiefe Stellen!“, ruft die Geowissenschaftlerin Janina Wypich, die zusammen mit Dr. Annette Schmid-Röhl die insgesamt 6 Mädchen und 15 Jungen anführt. Gummistiefel laufen voll, doch das ist egal. Denn die ersten Entdeckungen werden gemacht. „Da schwimmt etwas Großes“, ruft aufgeregt ein neunjähriger Junge. Gleich bildet sich eine Traube von Kindern um den urtümlichen Fund, den Stiftungsökologe Hannes Schurr beherzt in seinen Fingern hält: „Ein Steinkrebs. Dieser kleinste europäische Flusskrebs ist typisch für steinige Gewässer und kommt nur in sehr guter Wasserqualität vor.“ Das freut auch die jungen Forscher, die staunend auf die großen Scheren des 8cm langen Exemplars blicken.

Die Gruppe erreicht massive Sandmergelbänke, die sogenannten Wasserfallschichten des Braunen Jura. Diese, so erklärt es Paläontologin Schmid-Röhl, zwingen das Wasser, aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit im ansonsten tonigen Gestein, kaskadenartig über Stufen zu rauschen. Sehr zur Freude der Kinder, die die fast tropisch anmutende Landschaft für eine Badeeinlage nutzen. Weiter bachabwärts bücken sich einige Kinder nach Fossilien. Denn im ruhigen Ablagerungsbereich der Gleithänge liegen verstreut Muscheln, Ammoniten und Belemniten. Diese versteinerten Relikte stammen von Tieren, die vor rund 170 Millionen Jahren im subtropischen Jurameer schwammen und Zeugen der bewegten Erdgeschichte im Zollernalbkreis sind. Besonders schöne Exemplare werden auf lehmbeschmierten Händen herumgereicht und verschwinden anschließend in Hosentaschen und Rucksäcken.

Weiter geht es an Baumwurzeln vorbei, überhängende Äste von Erle, Bergahorn und Weide werden
zur Seite gestreift, Schuhe bleiben immer wieder im Uferschlamm stecken. Im knöcheltiefen Morast
sind Fährten von Wildtieren zu entdecken: „Hier tummeln sich in der Dämmerung Wildschweine,
Rehe und Füchse. Und da scheint auch ein Waschbär gewesen zu sein.“, freut sich die
Stiftungsleiterin Alexandra Kischkel-Bahlo.

Was die jungen Naturliebhaber und ihre Eltern am Ferienprojekt faszinierend finden, erklärt die
Naturexpertin: „Unser Outdoor-Angebot ist spannend, bewegungsintensiv und lehrreich. Spielerisch
entdecken Kinder viele Tiere, Pflanzen und Gesteine und lernen ihre Namen kennen. Wasser in
Gummistiefeln, der süßliche Duft von Mädesüß, der unverhoffte Blick auf ein seltenes Fossil oder
einen zappelnden Krebs in der Hand sind Eindrücke, die für Kinder und das Veranstaltungsteam
unvergesslich bleiben.“